Projektreportage

Eine neue Fassade zum Platz

Bahnhof Glogau, ARCHWIG, Wrocław

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Eine neue Fassade zum Platz

  • Autorin: Aleksandra Czupkiewicz
  • Fotos: Przemysław Piwowar

Wir stehen auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Glogau. Verzierte Pfeiler der gusseisernen Konstruktion stützen das hölzerne Satteldach, dessen Ränder nach oben ragen, als ob sie die aus Breslau einfahrenden Züge grüßen, bevor diese wieder weiterfahren, nach Nordwesten, bis nach Frankfurt am Main, Berlin und ins übrige Deutschland. Das Dach ist das einzige Fragment der Bahnhofsanlage, das noch an das 19. Jahrhundert und das Baujahr 1846 erinnert, seitdem wurde die Bahnhofshalle drei Mal verändert. Unter der Bahnsteigüberdachung heraus steigen wir auf der einläufigen Treppe in die über den Gleisen verlaufende verglaste Galerie. Einen Blick auf die Züge gewährt der Korridor, der von regelmäßigen Stahlträgern mit einer Höhe von ca. 110 cm gehalten wird.

Fast wie früher: Die Uhr an der Frontseite war im ursprünglichen Entwurf rechteckig, die ursprünglich etwas abgesenkte Plattform des Vorplatzes wurde an das Straßenniveau angepasst.

Die 12 Meter hohe Bahnhofshalle wird durch zwei Reihen länglicher oberer und seitlicher Fenster erhellt. In die Wand, die vom Eingang her sichtbar ist, wurden fünf Fahrkartenschalter eingebaut. Diesen Rhythmus verstärkt die Aufteilung der Decke durch Stahlbetonbalken. Die Wände der Halle sind bis zu einer Höhe von ca. 2,5 Metern mit Naturstein verkleidet. Aus der Haupthalle gehen wir durch einen schmalen Vorraum hinaus unter ein schmales Dach. Hinter uns steht die symmetrische Form des Bahnhofs, über ihren Fenstern an der Frontseite hängt die traditionelle Zeigeruhr, vor uns erstreckt sich der Platz.

Vor der Renovierung war der Bahnhof verbaut und mit Werbung beklebt. Wenig erinnerte an das historische Gebäude.

Zum Bau des Bahnhofs in der gegenwärtigen Form, nach einem Entwurf von Wilhelm Behringer, der auch den Bahnhof in Frankfurt an der Oder und das Kurhaus in Rostock entworfen hatte, kam es erst im Jahr 1932. Der Umbau der Bahnstation war schon im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geplant worden, aber der Erste Weltkrieg verzögerte die Umsetzung der Pläne. Letztendlich erlangte der Bahnhof eine Gestaltung im Stil der Moderne, der Vorplatz hingegen, „Plac Tysiąclecia” (Millenniums-Platz), mit der rundherum geplanten Bebauung, ist das Ergebnis eines 1935 durchgeführten Wettbewerbs. Nach dem Willen der Stadträte sollte Glogau so gestaltet werden, wie es für ein aufstrebendes, wichtiges urbanes Zentrum in Schlesien angemessen wäre.

Den Wettbewerb mit 37 Einsendungen gewann der Berliner Architekt Erich Harendza, der bis 1932 im Büro von Hans Scharoun gearbeitet hatte, mit seiner viergeschossigen Bebauung des Platzes mit Satteldächern und Erkern. Der Platz selbst wurde mit geringfügigem Höhenunterschied zu den umliegenden Straßen angelegt, an denen Baumreihen gepflanzt wurden, die bis heute stehen. Ähnlich wie andere gekürte Arbeiten, die im Jahr 1936 in der Zeitschrift „Ostdeutsche Bauzeitung” veröffentlicht wurden, war der Siegervorschlag ein Beispiel für recht monumentale Architektur im Vergleich zum Kontext, in dem sie entstand. Die Renovierung des Bahnhofs nach den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg dauerten bis in die 1960er Jahre an. Damals wurde die Ziegelsteinfassade mit einer Schicht Styropor und gelbem Putz abgedeckt und die originale Aufteilung der horizontalen Fensterstreifen in den Seitenflügeln des Gebäudes verschwand.

Den leitenden Architekten ist besondere Anerkennung auszusprechen, die das Thema Bahnhof mit entsprechender Sorgfalt und Gründlichkeit angegangen sind.

Obwohl das Gebäude seine schlichte, modernistische Form bewahrte, wich es visuell deutlich vom ursprünglichen Entwurf ab. Erst im Jahr 2012 wurde der Bahnhof saniert, wobei die einstige Eleganz nicht vollständig, aber zumindest teilweise wiederhergestellt wurde. Für die Realisierung ist das Architekturbüro ARCHWIG aus Wrocław verantwortlich, das auf den Umbau historischer Objekte spezialisiert ist. Das Engagement der Denkmalschutzbehörde der Woiwodschaft Niederschlesien ermöglichte eine Renovierung, die das Objekt visuell dem Zustand von vor 90 Jahren annäherte. Nach Ansicht des Architekten Janusz Grochowski ließ der Zustand der bestehenden Fassadenziegel leider nicht zu, sie freizulegen und somit die originale Ästhetik des Objekts vollständig wiederherzustellen. Es wurde entschieden, Klinkerriemchen zu verwenden, die dem ursprünglichen Baustoff so ähnlich wie möglich sind. Ausgewählt wurde das Klinkerriemchen Adelaide der Firma Röben in der Farbe Burgund mit glatter Textur. Fragwürdig ist die Entscheidung, mit dem Material lediglich die Frontseite des Objekts zu bedecken, während die Seiten in ihrem Zustand belassen und die Rückseite teilweise in Rot verputzt wurde, das sich farblich wesentlich von den Klinkern unterscheidet.

Die Renovierung von Objekten in Polen ist von der Art, mit der ein solches Thema in Deutschland oder Tschechien angegangen wird, weit entfernt. In hohem Maße ist das durch finanzielle Aspekte bedingt, was sich deutlich auf Details auswirkt, wo anstelle von Aluminium- bzw. Stahlfenstern mit dünne PVC-Profile verwendet wurden, und anstelle von steinernen Füllungen Putz in der Farbe aufgebracht wurde, der das gewünschte Material imitiert. Außerdem verfügt Polen nicht über die entsprechenden Werkzeuge, um eine adäquate Herangehensweise an Objekte von großem historischen bzw. kulturellen Wert sicherzustellen.

An dieser Stelle ist den leitenden Architekten besondere Anerkennung auszusprechen, die das Thema Bahnhof mit entsprechender Sorgfalt und Gründlichkeit angegangen sind. Eine weitere Frage ist die Betrachtung des Objekts als Summe der Funktionen. Es ist bedauerlich, mit welcher Disproportion die Hülle des Gebäudes im Vergleich zu seinem Inneren oder der Front gegenüber den hinteren Räumlichkeiten behandelt wird. Hoffen wir, dass dank weiterer, zukünftiger Interventionen der Bahnhof wieder auf Postkarten „mit Grüßen aus Glogau“ zurückkehren kann, als einer der Orte, die man in dieser Stadt unbedingt gesehen haben muss.

Architekten

ARCHWIG, Wrocław (PL)

Der Architekt und Ingenieur Janusz Grochowski (geb. 1956) studierte Architektur an der Technischen Universität Breslau. Er gründete 1988 sein eigenes Architekturbüro Archwig, das seitdem in Breslau tätig ist. Er arbeitete bereits an zahlreichen Projekten, vom Einfamilienhaus bis zu Stadtentwicklungen. Grochowski ist spezialisiert auf die Renovierung und den Umbau von Bestandsgebäuden, einschließlich denkmalgeschützter Gebäude. Zu seinen Projekten gehören die Restaurierung der Park- und Schlossanlage in Wojanow (Schildau), für die er den 2. Preis beim Lower Silesian Architecture Festival 2011 erhielt, sowie der Umbau eines postindustriellen Gebäudes in eine Forschungsstation des städtischen Wasserund Abwasserunternehmens (MPWiK S.A.) in Breslau im Jahr 2015, ausgezeichnet im polnischen Wettbewerb „Modernisierung des Jahres“.

Projekte (Auswahl)

2020 Sanierung Stadthaus Ohlau (PL)
2015/2021 Sanierung Wasserturm Breslau (PL)
2009/2016 Sanierung Schloss Proskau (PL)
2008 Sanierung Gasthaus Görlitz (DE)
2007 Sanierung Maria Schnee Kirche, Niederschlesien (PL)

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